ETWAS PERSÖNLICHES
Anders sehen
Um mich zu orientieren, benutze ich seit meiner Kindheit vor allem die periphere Sehkraft. Das hat mich so sehr geprägt, dass ich alles zuerst ganzheitlich betrachte, aber wenn es sehr wichtig ist und ein scharfer Blick verlangt wird dann... nehme ich es unter die Lup
Von Brasilien nach Deutschland
Ich wurde Ende der 70 er Jahre in Belo Horizonte, Brasilien, geboren und bin im Januar 2002 nach Deutschland gekommen – in ein Land, dessen Sprache, Kultur und Regeln mir damals völlig fremd waren. Ich sprach kein Wort Deutsch, nur Portugiesisch, Englisch und Spanisch. Doch von Beginn an besuchte ich einen Intensiv Deutschkurs in Mainz und kam dort mit Menschen aus aller Welt in Kontakt. Diese Begegnungen haben mich zutiefst bereichert und meine interkulturelle Kompetenz geprägt.
Schon während meines Jurastudiums arbeitete ich aus eigenem Interesse interdisziplinär. Ich suchte den Austausch mit anderen Fachrichtungen und Menschen aus verschiedenen Professionen. Diese Offenheit hat meine Sicht auf die Welt erweitert – sie ist bis heute ein zentraler Bestandteil meines Denkens und Handelns.
Neugier begleitet mich seit jeher. Ich liebe es, Neues zu erforschen und mich in unterschiedliche Themenfelder zu vertiefen – wie in meiner Dissertation, für die ich mich mit Rechtswissenschaft, Sozialpsychologie, Journalismus, Telekommunikation, Volkswirtschaft und Medienproduktion beschäftigte. Daraus entstand eine interdisziplinäre Doktorarbeit, die mein Verständnis für die Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge vertieft hat.
Auch während meines Jurastudiums habe ich – wann immer möglich – den Fokus auf Menschenrechte gelegt. Dabei war mir wichtig, ihre Umsetzung nicht nur theoretisch, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich zu betrachten. In meiner Dissertation untersuchte ich die Diskriminierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen durch die brasilianischen Massenmedien – ein Thema, das meine juristische, gesellschaftliche und ethische Haltung bis heute prägt.
Darüber hinaus unterstütze ich Projekte von Vereinen, bei denen ich Mitglied bin oder war – insbesondere solche, die sich für sozial benachteiligte Menschen engagieren: für Immigrant*innen, Geflüchtete, Frauen in schwierigen Lebenssituationen sowie für die Bekämpfung von Armut und soziale Gerechtigkeit.
Ein positives Menschenbild und der Glaube an die Möglichkeit eines friedlichen Miteinanders prägen mich seit meiner Kindheit. Diese Haltung führte mich zur Gewaltfreien Kommunikation. Als Trainerin begleite ich Menschen dabei, mit sich selbst und anderen empathischer, ehrlicher und friedlicher umzugehen.
Menschen auf ihrem Weg der persönlichen Entfaltung zu unterstützen, erfüllt mich zutiefst. Deshalb habe ich mich zusätzlich im psychologischen Bereich weitergebildet – als Familien- und Konfliktberaterin/Mediatorin nach der Transkulturellen und Positiven Psychotherapie von Prof. Dr. Nossrat Peseschkian und als Heilpraktikerin für Psychotherapie.
In meiner Arbeit ist es mir wichtig, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: Menschen zu stärken, ihre eigenen Ressourcen zu entdecken und Werkzeuge zu erlernen, mit denen sie Herausforderungen eigenständig meistern können.
Seit meiner Kindheit lebe ich mit einer Sehbehinderung, die sich im Laufe der Zeit verschlechtert hat und bereits im Gymnasium als hochgradige Sehbehinderung eingestuft wurde. Es handelt sich um eine Form der Makuladegeneration, die mir das scharfe Sehen erschwert. Ich orientiere mich daher vor allem über meine periphere Sehkraft – und das hat meine Wahrnehmung geprägt:
Ich nehme die Welt zuerst im Ganzen wahr, betrachte Zusammenhänge, bevor ich Details unter die Lupe nehme.
Zu einer Zeit, in der es noch keine Inklusionsregelungen gab, musste ich in allen Bildungsinstitutionen, die ich besuchte, auch bei Fremdsprachen Kurse und Hobby Unterichten, selbst für angemessene Lernbedingungen sorgen. Schon früh lernte ich, für meine Bedürfnisse einzutreten – respektvoll, klar und mit Ausdauer. Ich musste mit allen Lehrer*n*innen, allen Professor*en*innen, besondere Bedingungen wegen der Sehbehinderung aushandeln. Ab der 5. Klasse war ich schon in der Lage, dies ohne Unterstützung meiner Eltern zu bewerkstelligen.
Heute verbinde ich in meiner Arbeit Berufung, Selbstverwirklichung und meine fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen. Mein Herz schlägt dafür, Menschen wirklich zu verstehen, mich in sie hineinzuversetzen, Unterschiede zu achten und Brücken zwischen Welten zu bauen.
Ich glaube fest daran, dass wir alle voneinander lernen können – wenn wir bereit sind, einander wirklich zu sehen.